Marlin hatte auf dem ungewohnt harten Boden leidlich gut geschlafen. Dank des warmen Steins immerhin ohne großartig zu frieren. Nach allem was xies mitbekommen hatte, hatte Ariana geschlafen wie eine Tote. Dennoch sah sie, als sich das Lager pünktlich zu Sonnenaufgang regte, ganz danach aus, als würde sie dem Ersten, der sie ansprach, den Kopf abbeissen.
Vielleicht hielt es Iara deswegen für besser, Marlin zu informieren, dass das Rudel auf die morgendliche Jagd gehen würde und ob sie zurechtkämen.
Marlin hatte nur genickt. In der Hoffnung, dass sie tatsächlich zurechtkommen würden.Immerhin drückte Ariana ihr kurz darauf eine Tasse heißen Kaffee in die Hand, nachdem die Garou das Lager verlassen hatten.
Nach den ersten paar Schlucken hellte sich auch Arianas Gesichtsausdruck deutlich auf.
“Ich hoffe du magst Porridge? Chez Ariana hat heute morgen nur ein Gericht im Angebot.”
“Porridge ist … okay”, Marlin nickte. Besser jedenfalls, als kein Frühstück oder schon wieder Fleisch.
Ariana nickte mit einem Brummeln, aber Marlin gewann den Eindruck, dass Arianas Laune nicht Marlin selbst galt, sondern maximal dem Leben, der Welt insgesamt und der frühen Tageszeit im Besonderen.
Während Ariana das Porridge für sie beide zubereitete, spähte Marlin nach Arianas Rucksack. Wie sie alles, was sie mitzuschleppen schien, darin untergebracht hatte, war Marlin ein Rätsel.
Aber eine andere Sache drängte xies mehr: „Irgendwie ist es komisch … “ Marlin brach ab.
Ariana blickte auf. “Was ist komisch? Also von dem sicherlich tausenden Sachen, die Dir gerade komisch vorkommen können.”
Marlin zog die Schultern kurz etwas und erschauderte. “Sie sind Menschen, die sich in Wölfe verwandeln können. Aber es sind doch Menschen. Wie können sie da loslaufen um rohes Fleisch zu essen?”
Ariana hielt für einen Moment und sah Marlin ernst an. “Es sind keine Menschen. Auch keine Menschen, die sich in Wölfe verwandeln können. Es sind Garou. Sie sind halb Mensch, halb Spirit.”
“Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet.” Marlin klang frustriert.
Ariana rieb die Nasenwurzel. “Solche Fragen, noch bevor ich den ersten Kaffee ganz ausgetrunken habe. Na gut, ich versuche mein Bestes.
Also, denk an jedes Volksmärchen, das Du je gehört hast. Und gehe davon aus, es ist wahr.
Denke an jede Tür in der Rückwand eines Schranks, durch die Kinder in eine märchenhafte Welt purzeln und gehe davon aus, es gibt sie wirklich.
Oder gehe davon aus, das Kaninchenloch, das dich ins Wunderland bringt, gibt es wirklich.
Der verwunschene Hain, der dich zu einem Feenschloss bringt, es gibt ihn wirklich.
Und in jedem Baum lebt eine Dryade, in jedem Flüsschen eine Nymphe …
Auch das Monster unter dem Bett: es ist Wirklichkeit.
Erneut, ich kann Dir nur sagen, wie ich es mir erkläre. Du musst deinen eigenen Weg finden, es dir zu erklären.
Jedenfalls ist die Spirit-Welt mit unserer verbunden. Es heißt, die Welten waren mal eines und es heißt, sie haben begonnen auseinanderzudriften, als wir aufhörten, daran zu glauben.
Jetzt ist sie nur für jene zugänglich, die wissen wie. Und für Garou. Sie sind sowohl Menschen, als auch Spirits. Sie gehören zu beiden Welten gleichermaßen.”
Ariana sah sich kurz um, etwas unruhig. “Und erzähle ihnen besser nicht, von meiner Definition der Spiritwelt. Für sie ist diese etwas Heiliges und meine Erklärung war nun etwas … weltlich. Ich möchte sie nicht beleidigen.”
Sie reichte Marlin eine Schale mit Instant-Porridge.
“Danke”, Marlin nahm sie entgegen. “Und obwohl sie … halb zu dieser anderen Welt gehören, kommen sie nicht hinein?”
Ariana hob die Schultern. “Mehr weiß ich auch noch nicht. Aber es für sie wie eine zweite Heimat ist, kann ich mir vorstellen, dass es für sie mehr als beunruhigend sein muss. Ich würde fast davon ausgehen, das ‘beunruhigend’ milde ausgedrückt ist. Sonst hätten sie sich eher den rechten Arm abgekaut, als uns um Hilfe zu bitte.”
“Naja, eigentlich haben sie sie gefordert, weil wir ihnen was schuldig waren”, wandte Marlin ein.
Aber Ariana winkte ab. “Das sie überhaupt auf uns zurückgreifen, spricht schon für sich. Ich bin nur besorgt, ob wir überhaupt etwas tun können. Und in welchem Maße sie nicht amüsiert sein werden, falls wir nichts tun können.”
Ariana atmete durch und nickte Marlin zu. “Iss auf. Sie werden bald zurück sein und wir haben noch gut einen Tag Wanderung vor uns, wenn ich das richtig verstanden habe.”
Marlin stöhnte, packte dann aber die wenigen Sachen, zusammen. Während xies den Schlafsack in den Rucksack stopfte, sah xies kurz zu Ariana. “So eine geheime Tür in ein anderes Reich, die hätte ich früher gut brauchen können …”
Ariana sah zu ihrem Schützling und seufzte dann kurz: “Ja ich auch.”