Eine Viertelstunde später schob Ariana zusammen mit Marlin den Einkaufswagen durch den Supermarkt und füllte diesen mit der Übung einer Person, die es gewohnt war, mit relativ wenig Geld Lebensmittel zu kaufen, die über einen gewissen Zeitraum vorhalten mussten. Die aber auch relativ bewusst auf gesunde Lebensmittel und den Vitamingehalt achtete.
Marlin beäugte nur kurz einen Stapel Colaflaschen und hob bei dem Preis kurz die Brauen, bevor xies wieder zu Ariana aufschloss.
„Zuckersteuer,“ beantwortete Ariana die Frage, die Marlin nicht gestellt hatte. „Wirst du dann später auch in Seattle haben. Ein paar Städte haben sie vor einigen Jahren eingeführt und eben auch die Navajo Nation.“
Sie musste grinsen, als Marlin nun aussah wie … eben ein Teenager, dem klar wurde, dass das liebste Getränk wohl deutlich stärker aufs Taschengeld schlagen würde, als bisher. Aber statt Cola packte Ariana nun noch eine Schachtel Müsliriegel in den Wagen. Auch diese wurde von Marlin eher schräg beäugt.
Um einen besseren Überblick zu haben, hatte sich Zyx in Arianas Haaren nach oben gearbeitet und dort so weit aufgerichtet wir möglich. Als Ariana nun die Fleischtheke ansteuerte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel, wie die zwei Verkäuferinnen dort aufgeregt miteinander flüsterten und immer wieder zu ihr hin starrten. Bis eine von beiden, mit etwas wie Entsetzen auf dem Gesicht, aus dem Bedienungsbereich verschwand.
Sie drehte sich zu Marlin um mit gesenkter Stimme zu fragen: „Sag mal, hab ich was im Gesicht?“
Marlin sah Ariana an – „Uhm,“ – und wollte dann schon den Kopf schütteln, als xies die Grasnatter auffiel, die auf Arianas Kopf balancierte. Ariana folgte ihrem Blick, soweit es ihre Augen zuließen. „Zyx. Komm da mal runter. Du irritierst die Leute.“
Marlin hätte schwören können, das wenn eine Grasnatter einen verschnupften Gesichtsausdruck haben konnte, dann war das der Ausdruck, mit dem sie sich nun indigniert an Arianas Haaren abseilte und sich wie ein Halsreif um sie zusammenringelte.
Dennoch, als Ariana so an die Fleischtheke trat, schien die ältere Dame dahinter, geradezu von ihr weg zu schrecken und als Ariana Zyx zuflüsterte, sich noch weiter zurückzuziehen, folgten ihre Blick dem schmalen, grünen Körper mit einem Ausdruck des Terrors.
Ariana nannte ihr ihre Bestellung, nahm diese Entgegen und beeilte sich zusammen mit Marlin zur Kasse zu kommen. Zurück im Pick-Up, nachdem sie die Einkäufe auf der Ladefläche verstaut hatte, murmelte Ariana. „Na, das war merkwürdig.“
Sie zückte ihr Telefon, um ein paar Begriffe in die Suchmaschine einzugeben. Nach einem Moment ließ sie ihre Stirn gegen das Lenkrad dotzen.
„Was?“ Marlin sah sie nervös an.
Ariana streckte Marlin wortlos das Smartphone hin, ohne den Kopf zu heben. Marlin las: „Die Navajo glauben, Schlangen sind ein böses Omen? Und böse Geister können über die Stellen, die sie berührt haben, in den Körper eindringen? Uhm.“
„Lies weiter,“ kam es gemurmelt von Ariana.
„Uhm, das bei ‚Andere Tiere‘?, meinst du?“
„M-hm.“
„Was davon? Auch Eulen gelten als böses Omen?“
„Ja,“ Ariana klang gequält.
„Dann … ist es gut, dass wir keine Eule dabei haben?“ Marlin sah ratlos auf die Ältere, die nun immer wieder leicht ihren Kopf gegen das Lenkrad dotzte.
Nach einem Moment richtete sich Ariana wieder auf und fuhr sich ordnend über das Haar. „Ich … erkläre es dir später. Wir sind schon spät dran und wir können uns nicht einfach irgendwo ohne Erlaubnis hinstellen, sobald ich müde werde. Ich wäre gerne an unserem Ziel, bevor es Mitternacht ist.“
Mit einem Seufzen nahm Ariana Zyx von ihrem Hals ab, und setzte sie in ihre Grasschale. „Und du, Süße, übst am Besten ein bisschen unsichtbar werden, bis wir hier wieder raus sind.“
Marlin verschluckte sich fast, als Zyx den winzigen Kopf beleidigt in den Nacken warf, hochaufgerichtet tiefer ins Gras kroch um sich dort dann zusammenzuringeln und mit der Schwanzspitze ein paar Gräser über sich zu drappieren.
Als sie die Hauptstadt hinter sich gelassen hatten, hatten sie bald auch belebte Straßen hinter sich gelassen. Erst wurden nur die Autos, die ihnen entgegen kamen, oder die ihr eher langsames Gespann überholten, weniger. Dann wurden die Straßen enger und gewundener. Mit einem 8 Meter langen und 4 Meter hohen Haus hinter sich, brauchte Ariana alle Konzentration aufs Fahren und Marlin war dazu übergegangen, mal aus dem Fenster zu sehen und mal eine Art leise Unterhaltung mit Zyx zu führen, die weiterhin ihr Bestes tat um beleidigt zu wirken.
Wenn das ging, wurden der Weg noch schwieriger und Marlin musste das eine oder andere Mal schlucken. Xies war sich recht sicher, dass sie vor rund einer Stunde das letzte Mal überhaupt eine Behausung gesehen hatten und xies fragte sich, was hier noch kommen mochte und ob der Ort, an den sie geschickt worden waren, wirklich weniger unsicher sein würde, als irgendeine Stadt.
In der Dunkelheit wurde es noch schwieriger tiefhängende Äste rechtzeitig zu erkennen und Ariana konnte zeitweise nur Schritttempo fahren, während sie sich nicht mehr nur auf ihre Augen verließ, sondern auch mit ihrer Magie nach den Ästen spürte. Nachdem die Straße, auf der sie fuhren schon lange keine Befestigte mehr gewesen war, kamen sie nun an eine Stelle, von der Marlin überzeugt war, dass sie hier hoffnungslos stecken bleiben würden. Aber gerade dann atmete Ariana auf. „Wir sind da.“
Ariana hielt in einer kleinen Ausbuchtung des Weges an, damit sie den vermutlich einzigen Zufahrtsweg nicht völlig blockierte und atmete dann erst einmal durch. Vorne, im Dunklen, konnte Marlin die Schemen einiger Gebäude vernehmen. Aber mehr war nicht zu sehen. Erst recht nicht, nachdem Ariana die Lichter des Pickups gelöscht hatte.
Die sass einen Moment da und atmete erst einmal durch.
„Vielleicht wäre es … klüger … wenn ich zurückbleibe. Vielleicht würden sie dich alleine freundlicher empfangen.“
Als sie Marlins panischen Blick sah, warf sie xies dann aber ein aufmunterndes, wenn auch wackliges Lächeln zu. „Schon gut. Ich lass dich nicht alleine. Was soll schon passieren?“
Marlin konnte für einen Moment den Eindruck haben, dass Ariana tatsächlich eine ganze Menge einfiel, was passieren konnte, sie es aber Marlin zu liebe anders aussehen ließ.
„Gut, dann melden wir uns an. Und, Marlin, sei respektvoll und … sieh niemandem direkt in die Augen. Das könnte als Herausforderung zum Kampf missverstanden werden.“
Ariana klappte die Sonnenblende der Fahrerseite herunter, und entnahm eine dort befestigte, große Feder. Eine Eulenfeder.
„Gehen wir.“